Dienstag, 17. Mai 2011

Michela Murgia - Accabadora

Zufällig lag das Buch auf dem Sofa. Ein Ostergeschenk für meine Frau von ihrer Mutter. Ich hatte einmal eine begeisterte Besprechung von dem Buch im Radio gehört. Jetzt lag es da. Also nahm ich es in die Hand, lobte es und schlug die erste Seite auf. Die Lektüre hat meine Erwartungen nicht enttäuscht.

Accabadora, der erste Roman der Sardin Michela Murgia, erzählt von einer sagenumwobenen Frauenfigur des traditionellen Sardinien, die Sterbenden zum Tod und auch Kindern zur Geburt verhilft.Der Autorin gelingt es diese Frauenfigur in ihrer kurzen Erzählung Leben ein zu hauchen. Sie verknüpft das offene Geheimnis der alten kinderlosen Frau Bonaria Urai mit dem Schicksal des Mädchens Maria Listru. Die Bonaria nimmt das Kind bei sich auf als "fill'e anima", als "Herzenskind" - eine weitere Tradition des sardischen Volkes und eine Form der Adoption unter Einverständnis der beteiligten Familien - ganz ohne behördliche Formalitäten, die allein auf Zuneigung basiert. Das Kind wird im Hause der Bonaria erzogen und erhält für das Dorf Soreni eine überdurchschnittliche Schulerziehung. Aber sie erfährt nicht welches Ziel die seltenen aber wiederkehrenden, meist im Schutz der Nacht erfolgenden Gänge der Bonaria haben. Wir lesen wie das Kind erwachsen wird. Wir lesen wie Maria mit dem Wissen um das Geheimnis der Bonaria ringt und schließlich daran reift. Und der Leser wird mit der Frage konfrontiert, ob das Sterben, ähnlich wie die Geburt, einer helfenden Hand bedarf, eines Menschen, der die letzte Nabelschnur trennt, die den Sterbenden erlöst. Die Accabadora sagt an einer Stelle über sich: "Ich bin die letzte Mutter gewesen, die einige gesehen haben."

Die Accabadora handelt nicht ohne Ethik. Ihr Handeln setzt den Wunsch der Familie des sterbenden und und eine eingehende Prüfung der Accabadora voraus. Sie ist ihrem Gewissen und der Tradition Rechenschaft schuldig. Ihr Gegenspieler wäre der blasse Pfaffe des Ortes, wenn er nicht wüsste, dass er die Tradition der Sarden nicht durchbrechen kann. Das Aufeinandertreffen der beiden, der selbstbewusste Bonaria und dem demütigen Priester,  wird von einer besonderen unterschwelligen Spannung getragen.

In einer schönen Sprache beschreibt Michela Murgia sardische Sitten. Sie wirft dabei aktuelle Fragestellungen zu dem Themenkomplex der Sterbehilfe auf. Sie leuchtet aus in welchem Verhältnis die bäuerlichen Traditionen mit jenen der Kirche standen und entwirft das Panorama einer dörflichen Gesellschaft. All das ist mir großem Gewinn lesenswert.

Aus dem italienischen von Julika Brandestini, Verlag Klaus Wagenbach Berlin.


Donnerstag, 5. Mai 2011

Fiorello La Guardia - oder was man von Roth lernen kann


Ich eröffne den Blog nach Ostern (Das war das Vorhaben! Tatsächlich ist bin Laden zwischenzeitlich getötet worden, wodurch ich mich genötigt sah mich anderen Fragen zu zu wenden.) mit einem kurzen Filmchen, der Fiorello La Guardia, den bedeutenden Bürgermeister der Stadt New York zeigt, wie er, an die Kinder der Stadt gewandt, im Radio einen Cartoon aus der Zeitung vorliest.
Das seine Mutter Triestinerin war verbindet, ist aber nicht der Grund gewesen dieses Zeitdokument zu heben. Wenn man Namen auf Straßenschildern liest oder Flughäfen so benannt werden, dass man sich wundern mag, an wen oder was sie erinnern sollen, dann ist der Name schnell vergessen, und fällt vom Rande der Wahrnehmung bald hinab: verdrängt von neuen Erscheinungen am rasch wechselnden Horizont des Augenscheins. Wenn man aber in einem guten Buch auf solche Namen stößt, dann brennen sie sich ein und wecken ein weiterführendes Interesse. So geschehen während meiner Osterlektüre von Philip Roths "Verschwörung gegen Amerika".
"La Guardia steht neben dem Sarg und spricht zu den Würdenträgern mit der gleichen hohen, nervösen Stimme, mit der er bekanntlich während eines Streiks der New Yorker Zeitungen allwöchentlich über den städtischen Rundfunksender den Kindern der Stadt die Sonntagscomics nacherzählte; mit der Geduld eines Onkels, wie man sich keinen besseren wünschen konnte, berichtet er über die Abenteuer von Dick Tracy und Little Orphan Annie und all die anderen Comic-Helden Bild für Bild und Sprechblase für Sprechblase."


Das Buch, welches eine nur kleine aber bedeutende Realitätsverschiebung vornimmt und das Fliegerass Charles Lindbergh zum amerikanischen Faschisten und 33. Präsidenten der Vereinigten Staaten macht, der Roosevelt  bei der Wahl 1940 ablöst und dann, nach einer verkürzten Amtszeit von diesem 1942 wieder abgelöst wird - dieses Buch hat mich in seinen Bann gezogen, nicht nur weil es das Phänomen von Bedrohung und Angst von Minderheiten in einer Gesellschaft, die sich zu einer feindlichen entwickelt, sehr plausibel darstellt. Es ist wie jedes Buch von Roth eines über Newark und dieses Mal eines, welches seine Kindheit beschreiben könnte, denn überall zwischen der Fiktion lauert das Leben wie es ist und also auch wie es hätte sein können, im Newark der 1940er Jahre.

Es entspricht in gewisser Weise dem Roman "Nemesis", den ich kurz zuvor gelesen hatte, bevor ich ihn Pflichtschuldig meinem Vater schenkte - immerhin war es sein Ostergeschenk, das ich da schnell durchgelesen hatte, weil ich nicht warten konnte es mir selbst zu erstehen und ich - bei aller Liebe für meinen Buchhändler - auch an das eigene Portmonee denken muss. Der Fluss der Erzählung von Nemesis verschmilzt mit dem breiten Erfahrungsstrom Newarks, aus dem Roth seine Charaktere und Geschichten schöpft. Und hier wie Im Verschwörungsroman arbeitet er an einem großen Thema, welches sich durch den Duktus des großen Erzählers als Erfahrung im Leser einbrennt. Wenn der Verschwörungsroman im wesentlichen Angst und Bedrohung behandelt, nimmt sich Nemesis die Moral vor an der Bucky, der Held der Geschichte, schließlich scheitert.

Das eine große Thema ist  Konzept und wird nicht aus den Augen verloren, während sich beim Lesen allerdings ein unglaublich breites Panorama begleitender Charaktere, Erzählungen und Aspekte des Lebens und der Welt eröffnen, die den Genuss der Lektüre noch steigern.

Bei Nemesis ist Roth zudem eine erzählerischer Kniff gelungen, der nicht wie die Realitätsverschiebung, sondern auf ganz andere überraschende Art daher kommt und der es auf wundervolle Weise ermöglicht die dem Roman zugrunde liegende konzeptuelle Fragestellung differenziert zu behandeln. Ein Roman wie ein Zwiegespräch.

Noch etwas ist mir im Rückblick auf meine Roth-Lektüren aufgefallen: Ich habe Roth immer unter Männerliteratur verbucht. Ich habe ihm damit sicherlich unrecht getan. Die letzten Leseerlebnisse, aber auch die Altherrenromane "Sabbath Theater",  "Der menschliche Makel" und "Jedermann"  stellen dem hadernden und meist auch scheiternden männlichen Charakteren eine starke, zärtlich gezeichnete Frauenfigur zur Seite.


Mittwoch, 4. Mai 2011

Osama ist Tod

Ich bekenne (angesichts der Debatte um unpassende oder angemessene Kommentare), dass ich im Moment als ich die Nachricht von bin Ladens Tod, sportlich den gebeugten Arm und die Hand fest zur Faust geschlossen drei Mal hin und her fahren ließ und so etwas wie "Ja - die - Sau!" taktgleich zur Bewegung des Armes ausgestoßen habe. Ich beichte, dass mein Sohn anwesend war. Ich habe also (in der häuslichen Öffentlichkeit) die Beherrschung verloren. Das ist auch ein Aspekt der Geschichte, dass dieses Ereignis von 9/11 meine Generation wohl derart prägt, dass wir in der Lage sind die Fassung zu verlieren.

Heute versuche ich zu verstehen, welche Optionen es zu dem Einsatz gegeben hätte. Eine Festsetzung wäre vielleicht eine Möglichkeit gewesen (wenn der Einsatz das auch zugelassen hätte). Es ist zu hoffen, dass Material in bin Ladens Residenz sicher gestellt werden konnte, das jetzt schnelle Zugriffe auf weitere Verrückte ermöglicht. Ich kann nicht umhin das ganze als Polizeiaktion zu verstehen und zudem eine Notwendige.


Obwohl ich im Ganzen der Aktion und ihren Ausgangs im ersten Affekt und in der Nachschau positiv gegenüber stehe, empfand ich die Szenen aus Amerika, mit Fahnen schwenkenden Menschen und skandierenden Mengen befremdlich. Diese Bilder verbinde ich mit Sportevents. Aber vielleicht ist das auch nur der kollektive Ausdruck dessen, was mir an dem Morgen unter die Haut gegangen ist als ganz spontan auf die Nachricht reagierte?

Mittwoch, 20. April 2011

Elite

Habe gestern im Radio etwas über das Mittelmaß gehört. Ein Lobgesang. Man solle sich doch nicht von der Idee jagen lassen in allem immer der Beste zu sein, das Beste zu geben. Es wurden auch Menschen auf der Straße befragt: Ob sie in etwas besonders gut seien. Ob sie in dieser Disziplin denn zu den besten drei gehörten.
Natürlich zog sich bald jeder ins Mittelfeld zurück. Besonders gefiel mir noch die Antwort einer begeisterten Sängerin, ob sie sich denn zu den besten Sängerinnen zählen würde, worauf sie sagte sie gehöre zu den zufriedenen. Wenn Leben eine Kunst ist ( und ich bin nicht abgeneigt das genau so zu sehen) dann ist sie eine große Künstlerin!

Da ich mich selbst befragte, fiel mir gerade heraus ein:  Ich bin meinen Kinder der beste Papa der Welt.

Wen wundert's! 

Ich bin der einzige den sie haben.  

Soweit ich weiß.

Dienstag, 19. April 2011

Bitte umblättern

Eine Empfehlung die ich gerne ausspreche. Den Umblätterer habe ich bereits rechts verlinkt. Auf seinem Blog steht viel Lesenswertes (unter anderem diese kleine Augenzwinkerei über Denis Schleck.).
Jetzt stellt er Lesenswertes vor. Das Projekt der 100 - Seiten Bücher hat seinen Anfang genommen. Eine Liste ist erstellt. Die Bücher, deren Versprechen es ist unter einhundert Seiten lang zu sein, werden nun abgearbeitet und vom Umblätterer rezensiert.

Ich bekenne - ...

So richtig vollwertiges Mitglied in den "sozialen Netzwerken" ist man ja nur mit entsprechendem Bekenntnis. Und das soll schon am Profilbild erkennbar sein. Ich bekenne, also bin ich. [GK]
Gregor Keuschnig macht sich notwendige Gedanken über die Schnelllebigkeit des öffentlichen Bekenntnisses einerseits, der neuen Unfähigkeit zur diskursiven Auseinandersetzung andererseits.
Nie war es so einfach im wohligen Mief der gleichen Meinung unter sich zu bleiben – und sich dabei gut zu fühlen. Der Preis auf diesem Subprime-Markt der politischen Gesinnungsprostitution ist klein. Das Versprechen auf Anerkennung ist groß; das Risiko gering. Wenn man sich jetzt nicht engagiert, wann dann?  [GK]
Keuschnig sieht durch das digitale Bekenntis die Zwischentöne in Gefahr. Wo man Gruppen für oder gegen ein Sache per Mausklick zusammengeführt werden, da verblassen die Zwischentöne und damit die Meinungsbildung.Daraus schließt Keuschnig unter anderem:
Politisches und soziales Handeln bemisst sich immer mehr an Bekenntnissen. Das wirkt ein bisschen anarchistisch. Aber das täuscht. Die Gefahr eines totalitären Politikverständnisses ist viel größer. Etwa im Rekurs auf die Mehrheit oder auch nur einer Mehrheit, die sich als solche artikuliert. [GK]
lyam kommentiert dazu:
...warum sollte man aus ihnen nicht auch für sich selbst einen Freiraum ableiten, sich nach Belieben mit einer Meinung in der eigenen (virtuellen) Teilöffentlichkeit zu inszenieren, auch wenn man sie argumentativ gar nicht herleiten kann?
Vielleicht sind wir ja auch zu pessimistisch. Vielleicht ist das ja doch anders. Es stimmt natürlich, die Banner werden schneller gewechselt als die Wäsche. Gerade dieser Tage. Und der "gefällt mir"- Button ist schnell gedrückt. Das liest sich tatsächlich ein wenig nach Beliebigkeit und Oberfläche. Könnte es aber nicht auch anders sein? Könnte es nicht so sein, dass Bekenntnisse und Meinungsbildung trainiert werden? Vielleicht entsteht ja so, durch die einfache Übung des Fingerkrümmens "Klick" eine Erziehung zum Bekenntnis und also auch zur Verantwortung für die Zeiten, wenn es darauf ankommt.

Ich spreche jetzt mal im kultur-pessimistischen Duktus von mir selbst: Ich bin derart gesättigt und zufrieden, dass ich gefahrlos meine Meinung sagen und mich zu allem und jedem, oder eben dagegen, bekennen darf. Das liegt an unserem System, das gut funktioniert - zumindest für mich.

Die Welt ist weit weg. Sie nähert sich via Tagesschau, Zeitung, das Netz, AlJazeera, Begleitschreiben, Facebook. Während der ägyptisch/tunesischen Freiheitskämpfe habe ich beispielsweise vor den Medien mitgefiebert. Ich habe Zeit verbrannt um zu verstehen, was da vor sich geht und - so habe ich es später fabuliert - um zu bezeugen und erinnern, was ich gesehen und gelesen habe. Wozu, dachte ich, dient die Äußerung via Twitter und Facebook, Blogs, etc. aus den Regionen wo es brennt, wenn es auf der anderen Seite keine Empfänger gibt. (Ich gebe zu: Selbstüberhöhung - denn was nützt am Ende das Zuschauen wirklich) Genau betrachtet aber empfand ich Machtlosigkeit.  Das gilt für alle anderen Krisenherde dieser Welt. Ich gehe heute mit etwas weniger Brennen an die Nachrichten aus Nordafrika heran. Ich lese etwas langsamer, auch weil man z.B. Libyen nicht so gut erfassen kann (mein Eindruck: jedenfalls verlangt die Dynamik und auch die Beteiligung eine fundiertere Auseinandersetzung). Auch Fukoshima ist mittlerweile eine strahlende Tatsache und damit weitaus komplexer geworden als ein schlichter Supergau (allerdings befinde ich mich in der glücklichen Situation keine Ethikkommission berufen zu müssen, um mir die Notwendigkeit einer energiepolitischen Wende zu erklären. - ist es eigentlich verfassungsmäßig abgesichert, dass eine Regierung sich Nachhilfe geben lässt auf kosten der Steuerzahler [ha, das wollte ich schon immer mal sagen: auf Kosten der Steuerzahler! - mit erhobenen Zeigefinger!]  ).
 
Aber welche Möglichkeiten bieten sich mir, dem ewigen Zuschauer? Soll ich aus der Loge herabsteigen und die Welt retten? Soll ich mich in Masrata neben die Rebellen stellen, die Schnellfeuerwaffe im Anschlag? Auf nach Fukoshima, um die Japaner vor dem Schlimmsten zu bewahren? Nach China und Ai WeiWei's Freilassung fordern? Das alles ist [erscheint mir] wohl kaum möglich. Also signalisiere ich hier und da meine Solidarität, mein Bekenntnis zu einer Sache die ich unterstütze. Zu dem seelischen Ablass gesellt sich bestenfalls dann noch ein Betrag, der Hilfe spenden soll. Mir bleibt am Ende dennoch der fade Beigeschmack, dass dies nicht reicht. Aber neben dem Schicksal der Welt gilt es ja auch den Alltag zu bewältigen.

Was mir aber hilfreich und wertvoll erscheint, das ist das Ausbreiten des Diskurses. Dazu wiederum eignet sich das Netz und wir nehmen daran teil. Via Facebook über Blogs werden Nachrichten und Meinungen und Meinungsbildung betrieben. Das Bekenntnis mag ein Sprungbrett für die Vertiefung sein. Und erlaubt womöglich auch Menschen den Zugang zu Informationen und Diskursen, die sonst gar nicht den Weg dorthin gefunden hätten?

Montag, 18. April 2011

Dicke Eier

Es ist bald Ostern. Für die einen  Zeit den Frühling zu feiern oder eben die Auferstehung Christi. Wer dieser Wegmarke im Jahr seinen besonderen Stempel aufdrücken möchte, der kann ja etwas verschenken.

In diesem Jahr möchte ich meine Freunde, die das eh vorhatten und jene, die sich das diesmal vorgenommen haben, anregen genau das durch zu ziehen und dabei einen guten Freund von mir zu unterstützen. Mein Freund ist Buchhändler in Bönningstedt.


Die Buchhandlung hat er noch nicht lange, die Liebe zu den Büchern schon immer. Wir, mein Buchhändler und ich,  sind uns einig, dass ein guter Buchhändler mit Empfehlungen daher kommen und diese so aussprechen muss, dass der Kunde wirklich spürt, dass er genau das Buch, welches der Händler liebevoll mit der Hand umschließt, jenes ist, welches nur auf den einen Käufer im Regal gewartet hat.

Er liest - und da geht er mit seiner Liebe zur Literatur wesentlich weiter als ich - gerne auch englische Originale. Er liest Lyrik und versteht auch davon etwas. Und auch da geht er so weit, mir aus lauter Liebe zum Klang zur Poesie, Gedichte im italienischen Original vorzutragen - obwohl der Sinn sich ihm nur in der Übersetzung erschließt.

Allegria di naufragi      Ungaretti

E subito riprende
il viaggio
come
dopo il naufragio
un superstite
lupo di mare
Ich wünschte mir ihn in der Nähe zu haben, so ist das mit Freunden, aber er lebt unten im hohen Norden und ich hier tief im Süden, weitaus höher als er. So muss ich seine Expertise per Telefon und via Mail anfragen. Das ist nur unwesentlich komplizierter als bei Amazon. Es ist persönlicher. Gut, sein Internetauftritt ist bescheiden - er ist und bleibt ein analoges Arschloch. Aber immerhin findet man dort seine Telefonnummer, die Email-Adresse und die Anschrift.

spred the word



 Am liebsten wäre er Diktator des guten Geschmacks, aber er wird langsam weise.

Donnerstag, 14. April 2011

Haruki Murakami - Gefährliche Freundin

Ich muss kurz berichten, dass ich gerade wieder eine Lektüre abgeschlossen habe. Erfolgreich! Warum eigentlich erfolgreich? Vielleicht weil mich die Geschichte tief getroffen hat? Das hin und her der Erzählung an deren Ende man kaum noch weiß ob die Erfahrung der beschriebenen Liebesgeschichte real oder über die Realität hinaus weist. Jedenfalls bekommt man einen Blick auf die Welt geliefert, der komplexer ist, als die Sprache und der Satzbau zunächst vermuten lassen. Es ist wohl die große Kunst von Murakami, dass er in einer scheinbar lapidaren Sprache, die Geschichten wie beiläufig erzählt, vielleicht als Thekengespräch und immer mit einem Soundtrack für das geistige Ohr?

Diesmal habe ich "Gefährliche Freundin", btb, gelesen. "Naokos Lächeln", "Kafka am Strand" und seinen Läuferbericht (alle bei btb) habe ich bereits hinter mir. Natürlich hinke ich zeitlich wieder einmal weit hinterher. Der Hype ist vorbei, der Autor längst im Olymp. Dieses neue Buch, so mein Buchhändler enttäuscht. Murakumis Vexierspiel geht dort so weit, dass der Leser, in diesem Fall der Buchhändler, davon ausgeht M. habe das Buch ganz wirklich nicht selbst verfasst, wodurch aber auch die Qualität des Werkes deutlich leide. Aber so weit bin ich lange noch nicht: meine Liste der Bücher, die ich von ihm lesen möchte, reicht derzeit noch zurück und nicht in die Gegenwart (er hat bereits unglaublich viel produziert).

Die gefährliche Freundin reicht auch zurück, ist eine Erinnerung an die Kindheit des Helden, entführt ihn in seine Vergangenheit und droht ihn aus seiner gut laufenden Ehe heraus zu reißen, seinem beruflichen Erfolg mit zwei gut laufenden Cocktail-Bars und weg von seinen zwei kleinen Töchtern. Die femme fatal taucht irgendwann in einer seiner Bars auf und die beiden nehmen ihre Beziehung wieder auf. Mit zwölf Jahren waren sie ein bereits seltsames Paar. Zwei Einzelkinder in einer Welt, in denen Einzelkinder noch ein seltsames Phänomen waren, fühlten sie sich zueinander hingezogen und verloren sich dann wieder aus den Augen. Murakami erzählt den Werdegang des jungen Mannes, von seinen Enttäuschungen und Fehltritten, den Jahren unausgefüllter Einsamkeit, bis hin zu der Begegnung mit seiner Ehefrau. Und immer wieder taucht die Freundin als Erinnerung auf, als Vergleich, als Schemen und einmal sogar meint er sie in Tokio auf der Straße zu erkennen und folgt ihr.Sicherlich drängt sich zu jeder Zeit in dem Buch die Wahrnehmung auf, dass hier einer mit einem Phantom ringt, einer Besessenheit und ganz vielleicht sogar um die Überwindung der Pubertät. Vor dem Leser wird die Midlifekrise eines 37-40 Jährigen mal exemplarisch durch dekliniert.Vielleicht liegt deswegen die Kraft der Geschichte in ihrer wagen Realität. Am Ende kann der Held nicht mehr recht sagen, ob die scheinbar erlebte Liebesbeziehung zu der Kindheitsliebe tatsächlich auch geschehen ist.

Das Buch belohnt den Leser mit einer wunderschönen Liebesgeschichte und einigen Erkenntnissen über das Leben, die Wirklichkeit und über das wahrscheinlich  einige Zeit Warten. Und den Regen...


Freitag, 8. April 2011

Bach

 

Mein Buchändler sagt:

Es gibt gute Gründe für E-Books, vor allem für den Leser. Wer findet es nicht faszinierend, die Bibliothek von Alexandria demnächst in der Hosentasche zu haben? Trotzdem sind die naiv-fortschrittsgläubigen Marktschreier nicht in der Lage, dem Buchhandel zu sagen, warum er nun ausgerechnet hierbei mitmachen soll. Es erscheint, als würde man an jeder Ecke gesagt kriegen: schneid Dir dein rechtes Bein ab, dann kannst Du Dein linkes vielleicht noch eine Weile retten.
In einer aktuellen  Notiz fragt sich mein Buchhändler in Bönningstedt, welche Gründe seine Zunft haben sollte Ebook-Reader zu verkaufen. Immerhin führte das ja zu einem veränderten Vertriebsweg der (Wahren) Waren, der dann den Buchhändler obsulet machte.
Diese leicht nachvollziehbare Logikübung überrascht nicht. Überraschend ist viel mehr der Hinweis auf die technische Komponente seiner Fragestellung: Wozu braucht es eigentlich Reader, wenn es Tablets gibt? Dies beweist, dass der Herr Buchhändler digital gar nicht so unterbelichtet ist wie der Autor dieses Blogs gerne behauptet.
An anderer Stelle fragt der Buchhändler: "Hat schon jemand den Plan in der Tasche für die Vergütung von guten Autoren, wenn sie keine Buchhonorare mehr bekommen?" Dazu eine kleine Linkrutsche über die Modelle die derzeit kursieren:
  1. „E-Book-Bestseller: Verleg’ dich selbst - und mach' Millionen! - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Kultur“
  2. „vivacities - Wenn Technik auf Wirklichkeit trifft > Der Verlag bin ich – eBooks im Selbstverlag für das iPad erstellen und distribuieren“ 
  3. „Million $ durch ebook Selbstverlag « unwillig“ 
Ich teile die Ansicht des Buchhändlers, dass wir in Zukunft, so wie heute auch schon, auf dem Markt beides finden werden: Print- und digitale Medien.

    Donnerstag, 7. April 2011

    Moby-Dick

    Das Netz kann unglaublich ablenkend wirken. Wir Netzidioten können ein Lied davon singen. Mich hat eine Welle erfasst  (es muss gestern gewesen sein) und schließlich weit hinaus ins offene Meer getrieben hat, wo ich hart gegen den Schiffsrumpf eines Walfängers geschlagen bin und erst im nächsten Moment mein Glück begriff, dass ich einem der beachtenswerteren Webprojekte in den Schoß geschwemmt worden wardurch Zufall.

    Eine echte Stöberseite ist Moby-Dick (TM), begonnen im August 2006 mit der Absicht die Lektüre des größten Wahlromans aller Zeiten zu begleiten. Drei Damen und ein Herr kommentieren da ihren Weg, so die Absichtserklärung von 2006. Wenn man dann aber den fliegenden Holländer entert, dann findet man einen unsäglichen Schatz verschiedenster Berichte und Interessen rund um das Thema Melville, Wale, Literatur, Schantigesänge, schöne Frauen. Im Header weist der Kapitän der Seite auf die Inhalte seines Beibootes auf Facebook hin, die sicherlich so auch für das Blog gelten kann:
    Facebook-Group Moby-Dick™: Science, philosophy, fine arts, fun, the meaning of life, and lovely ladies since 2006.
    Ab heute kann man über den Wortstamm rechter Hand  darauf zugreifen. Außerdem habe ich die vom Kapitän empfohlene deutsche Übersetzung auf meine Lesen wollen Liste gesetzt.

    Du bist Mainstream

    Es ist eigentlich ziemlich gleichgültig in welchem Zusammenhang du dich bewegst: Mainstream ist überall da wo Einzelne gegen den Strom schwimmen. Das kann auch in kleineren Zuläufen der Fall sein, in Seitenarmen und  (vielleicht sogar am grausamsten) in stehenden Gewässern.

    Mittwoch, 6. April 2011

    electric days

    It's impossible to have a point of view in the electric days.

    Marshall McLuhan


    via



    Dienstag, 5. April 2011

    Alles was ich tue

    Alles was ich tue ist nicht umsonst.

    Das Netz der Gläubigen

    Mich berührt das Netz und seine Akteure zunehmend unangenehm, gleichwohl ich neuerdings wieder das Bloggen begonnen habe. Da stellt sich wohl die Frage, ob es überhaupt Sinn macht dies weiter zu betreiben, aber ich will das mal aushalten. Die Frage ist ja, mit welcher Agenda man in den Ring steigt. Mit den sich weit streuenden Agenden habe ich so meine Schwierigkeiten.

    Ich gebe zu, dass ich manchmal, nicht selten, den einen oder anderen Blog lese der dezidiert konservativ ist. Was immer das heißt. Ich denke da an ein paar katholische Blogs, die sich zu einer Blogozese zusammengefunden haben und sehr frech das Medium Internet nutzen. Hier finde ich mitunter interessante Sichtweisen auf die Welt und den Glauben, erlebe aber auch eine Form der Abschottung, die es wohl nicht gebe, wenn man gemeinsam an einem Tisch, bei einem Gläschen Wein säße, anstatt sich über das Internet Standpunkte um die Ohren zu hauen. Außerdem ist es schädlich nur Dinge zu lesen, die einen in seinem eigenen Denken bestätigen. Das führt letztlich zu Größenwahn.

    Ich lese auch, wenn ich besonderen Ärger in mir auslösen will das unsägliche Nachrichtenforum (aus Österreich) kath.net. Gerade das letztere ist wie eine fortdauernde Bestätigung meiner Haltung gegenüber der Kirche, bzw. ihrer Hirten und Lämmer, dabei weiß ich wohl, dass die Kirche und ihre Gemeinden weit aus mehr Personal bereit hält, als nur jene, die auf kath.net schreiben und kommentieren (weswegen ich dann auch in der Blogzese lese). Wundersames Beispiel für einen politisierten Hirten gibt der Bischof Andreas Laun mit seiner Kollumne "Klartext". Dies sind Wortmeldungen, die meist das Thema Sexualität, Sexualmoral, Sexualunterricht, Sexaufklärung und Sexirgendwas und HomoSex und EheSex und so weiter zum Thema haben. Dabei prangert er immer wieder die relativistische Gesellschaft und ihre Medien an, vergleicht den deutschen Staat mit totalitären Diktaturen, weil sie Eltern im Schulunterricht ihre (68er-) Sexualerziehung aufzwinge etc. pp. Es sei dieser Unterricht, der die Menschen vom Glauben abbringe, so Laun in seinem letzten Klartext. Da ich die Passage dazu nicht wirklich verstanden habe (immerhin hat Laun auch Philosophie studiert und ist Professor, weswegen so ein Klartext mich durchaus auch irritieren kann) zitiere ich sie hier in voller Länge. Viellicht kann jemand anderes etwas damit anfangen:
    Aber die eigentliche Sexual-Erziehung gehört wesentlich zu den Rechten der Eltern und nicht in die Zuständigkeit des Staates. Vor allem aber: Der Staat begeht einen „sexuellen Missbrauch“ der eigenen Art, wenn er die Unmoral der sexuellen Revolution mit den Mitteln seines Gewaltmonopols den Kindern aufzudrängen sucht! Es ist zudem auch ein Eingriff in die Religionsfreiheit, weil Kinder, die diese „Erziehung“ durchlaufen, für die Botschaft des Evangeliums nur noch schwer zugänglich sind! Dass auch hier gilt, dass die Gnade Gottes stärker ist als die Mächte des Bösen, ist zwar wahr, aber keine Entschuldigung für Verführung oder Gewähren lassen der Verführung!

    Es ist wirklich tragisch: Angesichts dieser skandalösen Manipulationen und der Verführung, die im Namen der „Sexualerziehung“ im Umlauf sind, regen sich nur wenig und nur schwacher Widerspruch und Widerstand!
    Mit anderen Worten. Launs Glaube sieht in der Verführung die Ursache für den Unglauben in dieser Zeit. Verführung durch Bildung? Mag sein, dann ist der Glaube aber eine Schwache Kraft.
    Was aber Laun auch betreibe, wenn es denn mehrere seiner Sorte in den kirchlichen Kreisen geben würde, ist ein Abschied auf Raten aus der deutschsprachigen Gesellschaft und ihrem politischen System.Seine Argumente zielen immer wieder auf den Staat, den er mit Diktaturen gleich setzt (wie schon beschrieben) und zudem Abtreibung mit Genozid vergleicht. (Sein gutes Recht, macht aber seine Aussagen nicht stringenter sondern unterwandert seine Anliegen letztlich, bleibt er doch nur noch mit jenen Claqueren im Gespräch die nicht erreichen bräuchte: Insofern stellt sich der Klartext bei genauerer Betrachtung als Druchhalterede dar, die ausschließlich nach Innen gerichtet ist; die so etwas wie den harten Kern bedient, Menschen, die sich längst von der Gesellschaft abgewandt haben und zu so einer Art Truppe der Gerechten geworden ist, die ähnlich den Zeugen Jehovas, Islamisten oder den Scientologen alles ablehnen (nicht kritisieren) was unser Staatssystem ausmacht. nochmal Laun: "Mit bestimmten Leuten zu streiten, ist wohl fruchtlos,...")

    Freitag, 1. April 2011

    das muss ja auch mal gesagt sein

    Für die Sammlung. Ich konnte da nicht dran vorbei.

    Die Leiche

    Den jungen Preisträger der Leipziger Buchmesse ist auf zehnseiten zu sehen und zu hören. Er trägt eine skurrile Geschichte vor über eine Frauenleiche und ihren scheinbar am Tode der Frau unbeteiligten Mann, der damit fertig werden muss, dass diese Frau, die Leiche (so auch der Titel der Geschichte), bei ihm in der Wohnung liegt.

    Mir gefällt die Beschreibung des Teppichs am besten, dem der Autor eine wunderbare stoffliche Schwere verleiht, dass man mit dem Ich-Erzähler übereinstimmen möchte, dass es kaum angebracht sei die Leiche darunter zu verstecken.

    Donnerstag, 31. März 2011

    Entschuldigung

    Liebe Frau Nucleus,

    Wir haben unglaublich viele Bücher im Haus.
    Mein Sohn hat mir gestern schon mitgeteilt, dass er das Buch "Rudi Rüssel" aus der Klassenbücherei nicht auffinden kann. Ich habe schon ein wenig mit ihm gesucht. Aber es kann durchaus sein, dass wir das Buch zwischendurch einfach weggeräumt haben und es sich jetzt ganz ruhig verhält, um seinem Schicksal zu entgehen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Karl Gumbricht 31.03.2010+1

    Dienstag, 29. März 2011

    zehnseiten

    Ich habe dieses Web-Schätzlein gefunden: zehnseiten
    Darin wird konzentriert aus dem Werk der Autoren von ihnen selbst oder deren Übersetzer vorgelesen. Genau zehn Seiten. Ich habe mir vom gezähmten Wondratscheck aus seinem neuen Roman "Das Geschenk" vorlesen lassen. Die Seite ist was für Bibliophile. Sie vermittelt den Eindruck einen wertvollen Gegenstand in der Hand zu halten. Die Seite, schwarzer Grund, ist dreigeteilt. In der Mitte liest der Autor vor weißem Hintergrund, als wäre für ihn das Lesepult ausgeleuchtet, rechts davon Kann man zwischen der Liste der Autoren und ihrer Werke und der Information über das gerade geladene und vorgetragene Werk und dessen Autor umschalten, die dann links der Lesung erscheinen. Das ist alles ganz schön in Szene gesetzt. Ich habe zehnseiten am rechten Rand unter "Wortfamilie" verlinkt.

    Montag, 28. März 2011

    Der Kumpel

     Diesen kleinen Fund habe ich wie einen Schatz gehoben. Hier unten im ländlichen Raum wird Papier dezentral in großen Containern gesammelt. Man steigt auf ein kleine Stahltribühne und wirft von oben sein Mischpapier auf das der Nachbarn und Mitbürger. Aus dem Augenwinkel, mit ungenauer Aufmerksamkeit, erspähte ich das Cover eines Taschenbuches in dem Wust aus Papieren und Zeitschriften. Als erstes sprang mir der Verlag "rororo" in die Augen und die klassische beige Farbe dieser Reihe. In großen Lettern über dem Titelbild der Autor: John Updike! Muss ich haben! In der Nachlese, nachdem ich mit einem langen Stab das Buch aus dem Meer vermischter Druckmittel gefischt habe, stelle ich den Titel fest: Amerikaner und andere Menschen/ Essays. Passt wunderbar in meine Absicht mich diesem Autor endlich mal 
    zu zuwenden. Und dann habe ich den ersten Essay aus der 
    Sammlung "Interviews mit zu wenig berühmten Amerikanern
    gelesen. Daraus widme ich dieses Zitat meinem Freund.

    Der Kumpel ist wie Nebel, wie eine Pfütze. Seinetwegen läuft der Rückspiegel an, er ist das dankbar hinuntergeschüttete Glas Wasser am Spülbecken in der Küche. Wie auf dem Meer gibt es einen Horizont der Melancholie, der zurückweicht und nicht überfahren werden kann, auch wenn man tagelang in hartnäckigem Schweigen segelt, während die Takelage knarrt, die Wellen gegen den Bug klatschen und eine einzelne Möwe vom Heck abhebt. Seine Schönheit besteht darin, dass er diesen Horizont in einem eröffnet. Denn wenn er dein Kumpel ist, bist du seiner. Die männliche Wüste in uns grenzt an die seine. Er ist eine Fata Morgana.



    Höhere Wahlbeteiligung

    Mit etwas über 66% Wahlbeteiligung in Baden-Württemberg ist das ein gute Wahl gewesen - unabhängig vom Ausgang. Deutliche Aussagen haben zu gewonnen. Parolen haben beim Wähler letztlich nicht verfangen. Auch erscheint der Wähler weitestgehend informiert was die Geschichte der Laufzeitverlängerung und die Haltung der heutigen Bundesregierung auf der einen Seite und dem eingeleiteten Umstieg seitens der Rot-Grünen Regierung angeht. Wie konnte Kanzlerin und Partei derart unglaubwürdig argumentieren und handeln? Jedenfalls hat die Kanzlerin nun ein Ergebnis, nach dem sie ihre Entscheidungen ausrichten kann. Sicher ging es in Baden-Württemberg gar nicht mehr um Bahnhöfe. Es ging um Zukunftsfähigkeit. Zukunft- und Technikfreundlichkeit ist grün. Begreift das die CDU, wird sie sich womöglich auch wieder der demokratischen Realität stellen und den Grünen nicht noch einmal die Koalitionsfähigkeit absprechen. Die Grünen sind gerade in Baden-Würrtemberg in der Mitte. Bei den 30 bis 60 Jährigen waren beide Parteien gleichauf. Die über 60 Jährigen (deutlich) mehrheitlich CDU und auch unter 30 bestand die CDU den Test etwas besser, als ich erwartet hatte und lag mit etwa 6% vor den Grünen.

    Samstag, 26. März 2011

    Wählen gehen

    Ich möchte mal den pessimistischen Blick auf die Politik im Allgemeinen aufhellen. Denn in unserer Gesellschaft und Politiksystem hat man nach wie vor die Wahl. Brüderles Aufrichtigkeit lässt sich durch ein Kreuz auf den zukünftigen Wahlscheinen belohnen. Merkels Drehvermögen ist ebenso abstimmbar.

    Außerdem denke ich bei aller Kritik an politischen Entscheidungen, dass wir davon ausgehen sollten, dass Politiker nicht nur die Macht im Blick haben, sondern auch das Wohl und Weh des Staatsgebildes und seiner Bürger.
    Brüderle kann man letztlich auch nicht viel vorwerfen, außer, dass er seiner Überzeugung folgend, den Wechsel der Regierung so beschrieben hat, wie ihn die interessierte Öffentlichkeit selbst wahrnehmen konnte. Erst in der Debatte, als er sagte das Protokoll sei fehlerhaft, hat er offensichtlich gelogen. Brüderle ist ansonsten ja konsequent. Dennoch kann man nur hoffen, dass er und die Kanzlerin sich über die drei Monate hinaus ins Stammbuch schreiben lassen, dass sie auf eine antiquierte Technik gesetzt haben, von der sich die Bürger längst schon abgewandt hatten, weil sie an eine Zukunft glauben, die sich die Konservativen nicht vorstellen konnten. Damit haben sich die Konservativen abgewandt vom Gestaltungswillen der kennzeichnend ist für gute, der Zukunft zugewandten Politik.
    Aber wir haben die Wahl! Ich werde nicht müde zu erwähnen, dass in anderen Ländern Menschen für dieses Recht, auch das zu sagen was wir hier austauschen dürfen und das Recht zur Wahl zu gehen, ihr Leben riskieren. Wir aber sind Müde geworden. Wir knicken ein, wenn uns die Fehlbarkeit jener Menschen ins Gesicht schlägt, die wir für Verantwortlich halten. Und dann? Jammern wir, dass man nicht wirklich die Wahl habe und wozu ginge man denn dann zur Wahl, man habe in Wirklichkeit gar keine! Die Attribute, die wir den Parteien zuschreiben sind negativ, die Chancen, die wir ihren Gestaltungsmöglichkeiten geben unzureichend, ihre Repräsentanten generell suspekt. Wir unterstellen weder ihren Themen, noch ihren Möglichkeiten Gutes. Wir machen uns zu Anwälten einer Politik der Sachzwänge und lassen die Demokratie veröden. Wir, das sind mehr oder weniger 50% der Bevölkerung. Nicht wählen ist keine Option. Sind wir nicht einmal mehr bereit, zu ängstlich, die falsche Wahl zu treffen? Das müssen wir wohl riskieren, dass wir auch mal die falsche Wahl treffen.

    Dem [Kommentar zu dieser Diskussion] entnommen.

    Donnerstag, 24. März 2011

    Stèphane Hessel - Empört Euch!

    Habe gerade das Manifest von Stèphane Hessel: Empört Euch! gelesen. Mein Freund, der Buchhändler hatte es kommentiert und ich kann ihm letztlich recht geben. Seine Stärke liegt im griffigen Titel. Analytisch ist da nichts neu. Interessant ist es den Text als empörten Rückblick  hinsichtlich der Ziele dieses überaus engagierten Weltbürgers zu lesen.

    Je ne suis pas d'accord mit Hessels in dem Absatz über Israel, speziell seiner Darstellung der Hamas und dem unterschwelligen Terrorismusverständnis, welches er im folgenden Absatz freilich relativiert, indem er den Weg der Gewaltlosigkeit einfordert. Zwar bezweifelt er den Nutzen der Raketen auf  Sderot, lässt sich aber zu der (in dieser Sache) etwas zu Verständnisvollen Aussage hinreißen:
    "Es ist der Sache der Hamas abträglich, aber angesichts der Verzweiflung der Menschen im Gaza-Streifen leider verständlich. In der Verzweiflung ist Gewalt ein bedauerlicher Kurzschluss zur Beendigung einer für die Betroffenen unerträglichen Situation." 
    So what? Das gilt für die Israelis auch. Keine gute Überleitung zu (später im Text):
    "Wir müssen begreifen, dass Gewalt von Hoffnung nichts wissen will. Die Hoffnung ist ihr vorzuziehen - die Hoffnung auf Gewaltlosigkeit."
    Am Ende bleibt dann doch, nachdem man das Büchlein beiseite gelegt hat, die Bewunderung die man dem 93-Jährigen für sein nicht abbrechendes Engagement für eine bürgerliche Partizipation entgegenbringt.
    "Den "Ohne mich"-Typen ist eines der absolut konstitutiven Merkmale des Menschen abhanden gekommen: die Fähigkeit zur Empörung und damit zum Engagement."

    Links zum Thema:



    Jonathan Franzen - Freiheit

    Gelesen habe ich um den Jahreswechsel herum "Freiheit" von Jonathan Franzen. Wie meinem Vater, dem ich das Buch zu Weihnachten schenkte, so war auch ich begeistert von Pattys Lebensbeichte. Wie er finde ich die Präzision der Beschreibung der Persönlichkeiten großartig. Wie er genieße ich diesen subtilen Wechsel der Sprache, je nach Perspektive der Erzählung. Und wie er empfand ich den zweiten Teil des Buches ungleich schwächer als den ersten. Was Pattys Sohn umtreibt interessiert mich nicht so sehr. Als Gegenspieler zum Vater finde ich die Figur aber gelungen. Allerdings bleibt er blass gegenüber Patty, dem Rockstar und Walter. Diese drei umkreisen die eigentliche Problematik bedingter Bindungen und Beziehungen, die ausweglos erscheinen

    Franzen, so wie Roth und die anderen Amerikaner, schreiben in Cinemascope.

    Mein Freund, der Buchhändler fand das Buch nicht so gut. Vielleicht eine Drei. Aber eine Drei bei Frantzen ist immer noch lesenswert. War es Dennis Scheck, der über den Roman "Demütigung" von Philip Roth sagte: "Ein schlechter Roth ist immer noch ein gutes Buch!"?



    Mittwoch, 23. März 2011

    Philip K. Dick - Marsianischer Zeitsturz

    Die Geschichte die Philip K. Dick da erzählt, ist schnell zusammengefasst:

    Die Erde ist gnadenlos überbevölkert. Die Besiedelung des Marses wird von dort aus betrieben. Die Menschheit hat zu dem mit der Last weit verbreiteter psychotischer Störungen zu kämpfen. Unter diese Störungen fallen unter anderen der Autismus, aber auch genetische Defekte werden von der Gesellschaft isoliert. Die Siedlungen des Mars sollen davon frei bleiben. Dennoch sind auch auf dem Mars Menschen von psychischen Krankheiten und leichteren Neurosen geplagt. Und es werden Kinder geboren, die auf die eine oder andere Art abnorm sind und Autisten sind auch unter ihnen. Sie werden in einer Pflegeanstalt betreut.

    Diese psychischen Störungen, so wirft eine Theorie in dem Buch auf, verändern in einer Weise die Zeitwirklichkeit, dass es möglich wird Vergangenheit und Zukunft zu manipulieren. Oder so. Jedenfalls ändert diese Tatsache das vormals abnorme in eine besondere Gabe, derer sich ein geschäftstüchtiger Politiker bedienen möchte um ein profanes, aber lukratives Geschäft zu seinen Gunsten abwickeln zu können.

    Nebenher lässt K. Dick sein Personal über Wirklichkeit, Norm und die Gesellschaft nachdenken. Das ist recht interessant und, wenn man bedenkt, wann der Roman geschrieben wurde, ziemlich visionär. Wie oft bei guter SF fühlt man sich während des Lesens bald schon überholt, selbst wenn die Technikversprechen der Vergangenheit noch nicht erfüllt sein sollten. Dies gilt bei Dick vor allem für die Fragestellung hinsichtlich des Umgangs der Gesellschaft mit der nicht normierbaren Existenz des Menschen, die eben auch Behinderungen für das Leben bereit hält und sich in verschiedensten Formen manifestiert. Die PID-Debatte nimmt er in diesem Sinne vorweg. Jedenfalls  kann man das Buch so lesen und den Wunsch jener Gesellschaft, sich der als Krankheit und Hindernis und Kostenfaktor empfundenen Nicht-Normierbaren zu entledigen, als Analogie zu der heutigen Debatte sehen.

    Die Personen wirken eher eindimensional. Sie tragen die Fragen die der Autor in seiner Geschichte entwickelt und wirken dabei aber etwas stereotyp, nicht sehr lebhaft, obwohl Dick es versteht die Motivation der Handelnden glaubhaft heraus zu arbeiten. Beeindruckend allerdings sind jene Szenen, in denen sich Dick darin versucht die Erlebniswelt und Wirklichkeit der psychotischen Charaktere nach zu vollziehen.

    Der Roman ist in der 2005 in einer Philip-K.Dick Taschenbuch-Edition im Heyne-Verlag erschienen, in schönem blauen Nadelstreifen. Laut Amazon scheint das Buch in der Form nur noch antiquarisch auffindbar zu sein. Es gibt jetzt bei Heyne wohl auch einen Sammelband mit dieser Story und der Vorlage zu Blade Runner, eine Geschichte, die ursprünglich Träumen Robotor von elektrischen Schafen hieß und dem Roman Ubik. Wie auch immer.  Mein Buchhändler wird sicherlich die ein oder andere Ausgabe für den Leser auffinden können. Immerhin hat er auch antiquarisches zu bieten.

    Diese Buch war kurzweilig. Es ist niederschwellige Literatur mit hochwertiger Fragestellung. Ich kann es empfehlen. Jetzt freue ich mich schon auf Ubik. Mein Buchhändler hat es mir erst neulich geschickt.

    weiterführende Links:

    sf-fan über Philip K. Dick


    Dienstag, 22. März 2011

    raus aus dem weltlichen Einerlei

    "Christen machten sich nicht gemein mit der Welt, sie fühlten sich als ecclesia, das heißt ja: herausgerufen aus dem alltäglichen Einerlei. Aber gerade so wirkten sie ohne Berührungsängste in diese Welt hinein." [Osservatore]
    , sagt Manfred Lütz, der mir grundsätzlich sympatisch ist. Hieberi dachte ich: Je! - genau so sehen das die Anthroposophen auch.

    Samstag, 19. März 2011

    Der abtrünnige Standpunkt

    Einen interessanten Blick auf die Stimmenthaltung der Regierung zu der UN-Resolution gegenüber Lybien beschreibt Gregor Keuschnig. Dabei fällt seine Analyse polemisch aus. Da schwingt eine Menge  Zorn zwischen den Zeilen mit. Keuschnig nimmt in seiner Auseinandersetzung die Medien in den Blick, verschont nicht den politischen Gegner der Regierung und wundert sich über
    "die skandalisierenden Reaktionen auf die Stimmenthaltung. Ich lese, dass man sich für Deutschland schämt. Soweit ist es schon gekommen, dass man sich für einen Außenminister schämt, der nicht mit Hurra-Gebrüll losballert?"
    Er verurteilt die Interventionspolitik der Grünen im Besonderen, aber auch die Art der Kritik:
    Der abtrünnige Standpunkt wird denunziert – darin sind sie denjenigen, die sie bekämpfen wollen, durchaus ebenbürtig. Es gibt nur noch schwarz oder weiß – wer nicht für sie ist, ist gegen sie.
    Und plädiert selbst schließlich für eine präventive Außenpolitik:
    Diese Politik verursacht letztlich Kriege: Das Packtieren mit Diktatoren, die zwar nicht unsere Freunde sind, aber das tun, was wir wollen. Wir denken nicht zu Ende. Wir denken nicht, was passiert, wenn das Volk diese Leute nicht mehr will.
    Am Ende seines Artikels weist Keuschnig noch darauf hin, dass man sich, einmal begonnen, in der arabischen Welt weiteren Interventionen gegenüber sehen würde.

    Meine eigene Position gegenüber der Enthaltung gegenüber der Resolution ist uneindeutig. Zum einen kommt sie generell zu spät. Vor dem Hintergrund der extrem langsamen Reaktion der arabischen Liga hinsichtlich der Anfrage an die Welt die Resolution zu verhandeln verbietet sich nach meinem Erachten sowieso eine Kritik hinsichtlich der Handlungsfähigkeit des Westens im Allgemeinen und der deutschen Position im Besonderen. Andererseits erfährt der Despot im Lybien derzeit, dass die Welt bereit ist zu zu sehen. Eine Erfahrung die sich für Gaddafi im Grunde nur bestätigt, er kennt dies schon aus den letzten Jahren.

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    Politik der Halbwertzeiten

    Wir haben hier in BW bald Wahlen. Deswegen möge man mir nachsehen, dass ich mich mit Innenpolitischen Themen beschäftige. Es ist ja letztlich üblich Menschen, die sich um ein Thema kümmern, welche auch ethische Implikationen haben vorzuhalten, sie sollten sich doch besser diesem oder jenem zuwenden. Ebenso solle man nicht auf Kosten anderer seine eigene Agenda durchsetzen wollen.

    Wie will man aber unter all diesen Voraussetzungen dann überhaupt noch einen Diskurs führen? Es wird doch jetzt (erst) von der Regierung in Sachen Atompolitik gefordert einen breiten gesellschaftlichen Dialog zu führen (wieso wird dann seitens der Regierung das Parlament nicht daran beteiligt, sondern per Moratorium ergebnisoffen entschieden?). Atompolitik ist ein innenpolitisches Thema. Natürlich hat es auch eine internationale Komponente und der Staat und seine Vertreter haben die Aufgabe dies auf internationaler Ebene entsprechend zu bewerben. Für mich bleibt aber dennoch als Bürger nur die Handlungsmöglichkeit im eigenen Lande und ergänzend durch das Engagement in NGO's auf internationaler Bühne.

    Was den Vorwurf der Rechthaberei angeht - damit kann ich ebenfalls dienen: Für mich ergibt sich keine Notwendigkeit die Bedrohung der Atomtechnologie neu zu bewerten. Das hat zum einen damit zu tun, dass ich kein Spezialist bin und nur dürftig informiert (was ich mit dem größten Teil der Bürger teile und - wie ich polemisch anmerken möchte - mit einem ebenso großen Teil der Politik. Aber dazu später mehr.) Deswegen war ich in Bezug auf die Situation in Deutschland auch nicht  beängstigter, als ich es ohnehin bin. Natürlich stellt sich die Frage nach einer Bewertung der Katastrophe. In innenpolitische Rage geriet ich erst, als ich die Bundesregierung panisch auf die Katastrophe reagieren sah. Warum?
    1. Eine Koalition, die bisher der Atomlobby den Weg geebnet hatte, geriert sich als Vorreiterin der erneuerbaren Energie. 
    2. Ab jetzt: Sicherheit vor Wirtschaftsinteressen. - Das ist kaum zu kommentieren.
    3. In der Bäumchen-wechsel-dich-Rethorik werden die Grünen und die Spd zu Bremsern des Atomausstiegs.
    4. Und Röttgen entdeckt jetzt, nach Japan, die ethische Dimension der Atomkraft (der Arme bekommt eine zweite Chance für eine Politik, die er schon einmal umsetzen wollte. Von der lahmen Ente zum energiepolitischen Macher?  Aber zu welch einem hohen Preis! Röttgen war mit der Laufzeitendebatte gescheitert. Jetzt ist er eine Brückenbminister. Er wird zum Garanten einer umsichtigen Umweltpolitik bis diese Regierung sich neuen Wahlen stellen werden muss. Ich mache mir nicht große Sorgen hinsichtlich der Zukunft dieser Regierung. Sie pflastert ihren Weg durch die Legislaturperiode mit politischen Fehlern mit gesellschaftlicher Wirkung, so dass genug bis in den Herbst 2013).
    Nur ein paar Punkte.

    Als mein Ärger nachlässt fällt mir auf, dass sich eine Verschiebung der Argumentationsfäden aus dem plötzlichen Ausscheren von der bisherigen Atomideologie der Koalitionsparteien ergibt. Es zeigt sich nämlich, dass der Weg, der ohne die Grünen undenkbar wäre, hin zu erneuerbaren Energien, weg von der Atomkraft eine zukunfts- und technik-freundliche Einstellung geworden ist. Ich werde mir wohl in Zukunft seltener anhören müssen ich sei ein Bremser? Ich wäre einer grünen Ideologie erlegen, wenn ich von Nachhaltigkeit spreche? Immerhin ein Gewinn!Es zeigt aber eben auch, das diese Koalitionsregierung nicht Zukunftsfähig ist. Sie erkennt die energiepolitischen Notwendigkeiten nicht und ist, siehe E10, Laufzeitenverlängerung, entweder unfähig ihre Politik zu verkaufen, oder - viel grundsätzlicher: unfähig eine Politik zu machen, die zukunftstauglich ist. Sie hat aber wohl von Guttenberg gelernt. Sie ist in der Lage zu Plagieren.

    Noch etwas fiel mir auf. Die Umfragen zeigen, dass der Ausstiegswille in der Bevölkerung zugenommen hat. Was bedeutet das eigentlich? Meine Ablehnung empfand ich immer aus guten Gründen für konstant. Meine Empörung gegenüber der Regierungspolitik von vor drei Wochen war groß, aber die Erfahrung als Wähler für eine vernünftige umweltorientierte Politik, hat mich gelehrt geduldig zu sein. Wer hat denn da also die Seite gewechselt? Wem ist da die Kinnlade herunter gesackt? Frau Merkel wird mir recht geben, wenn ich da eine ganze Masse CDU-Wähler vermute, die bisher an die Mähr des Restrisikos glaubte.

    Unter dieser furchterregenden Sonne

     Im Kunstmann Verlag erschienen, bin ich auf diesen kurzen Roman des Argentiniers Carlos Busqued in der ZEIT  aufmerksam geworden. Steht auf irgendeiner Short-List zur anstehenden Buchmesse. Mich hat das abgebildete Cover angemacht. Und der Titel.

    Duartes sagt an einer Stelle im Roman: "..., es ist interessant zu sehen, wie weit ein Mensch gehen kann, oder was er alles mit sich machen lässt." Das liest sich jetzt, wo ich noch nicht ganz an das Ende des Buches gelangt bin wie das Konzept der Versuchs-anordnung die Busqued für seine Helden, den ewig bekifften Looser Cetarti, der sich von Duarte ausnehmen lässt, nichts selbst in die Hand nimmt, sondern alles nur geschehen lässt - auch mit sich selbst - und ständig Discovery Channel schaut, bereit hält.

    Es ist ein außerordentlich hartes Buch. Sehr gut verknappt in seiner Erzählweise. Von Satz zu Satz und Szene zu Szene über meist nicht mehr als drei Seiten entwickelt sich hier eine trübe, beängstigende Welt. Bereits erlebt habe ich die verschwommene, weil bekiffte Wahrnehmung Cetartis, wie er seine Mutter und seinen Bruder in einer ungekühlten Leichenhalle identifizieren muss - ermordet von Lebensgefährten der Mutter, der sich dann selber richtet. Mit Cetrati musste ich mir die brutalen Darstellungen furchtbarster Pornographie über mich ergehen lassen, die er auf einem Video beim Modellflugzeug bauenden Duarte zu sehen bekommt (worauf auch der oben erwähnte Satz fällt) und schließlich abstellt (so bleibt wenigstens etwas Sympathie für den Helden erhalten).In meinem Kopf ist Cetarti mit Johnny Depp besetzt. Duarte wäre hervorragend mit Dennis Hopper besetzt. Und Lapachito, der Ort wo seine Familie stirbt und der Dreckskerl Duarte seine Geschäfte mit dem Jüngling Danielito macht ist eine Landschaft aus Mad-Max.

    Bei aller Härte, nichts erscheint überflüssig bis hierher. Das wäre ja auch eine Schande bei nur 189 Seiten. [15.03.2011]

    Zum Kauf des Buches kann ich empfehlen meinen persönlichen Buchhändler zu kontaktieren.

    ***
    Ich habe das Buch heute fertig gelesen. Heute erst, weil mich das Erdbeben und die folgenden Katastrophen von meiner Lektüre abhielten. Dabei ist es ein schmales Bändchen. Es ist eine Gangstergeschichte. Die Handlung und die Gangster werden derart beiläufig erläutert und durch überraschende, weil kaum merkliche Wechsel der Perspektive ausgeleuchtet, dass man oft erst nach der Sequenz begreift was gerade geschehen ist. Busqued hat mit seiner Sprache ein retardierendes Moment erzeugt, was dem Leser selbst empfinden lässt, er sei dauerhaft stoned. So wie die unschönen Helden dieses Buches. [update]

    Und ich bleibe dabei:  Kaufen!

    Donnerstag, 17. März 2011

    Cool

    One Minute Puberty from bitteschön.tv on Vimeo.


    Verdanke dieses Video Eugen Faust. Auch andere Fundstücke dort entdeckt. Zum Beispiel dieses Update.

    Bildung im Netz

    Michael Blume, den ich hier nebenan in meine Blogrolle (Natur des Glaubens) hineingestellt habe, aus Gründen, die ich vielleicht auch irgendeinmal erläutern werde, hat über einem tollen Menschen mit einer tollen Idee berichtet. Darin erzählt er die Geschichte von Salman Kahn, bzw. die Entstehungsgeschichte einer Lernplattform - KahnAcademy, die dieser Mann gegründet hat und viele tausend Anhänger gefunden hat und manche spendable Unterstützer. Ich erlaube mir hier nur das Ende zu zitieren, auch um Michael im Anschluss an das Zitat eine Antwort auf eine Frage (als kleine Gegenleistung) zu geben, der ein Religionswissenschaftler nie nicht ausweichen darf. Zunächst Michaels Übersetzung aus dem englischen Original:
    Wenn Sie daran glauben, das Beste aus einer begrenzten Zahl von Jahren zu machen, die wir auf diesem Planeten haben (ohne sie für andere schlechter zu machen), wenn Sie denken dass Stolz und Selbstgerechtigkeit der Grund für den meisten Konflikt und Negativität sind, wenn Sie sich vor der Größe und dem Geheimnis des Universums klein fühlen, dann habe ich die gleiche Religion wie Sie.
     I share this!

    Aber lest selbst...

    Mittwoch, 16. März 2011

    Brückenworte

    BrückenTechnologie
    BrückenMinisterpräsident
    BrückenKanzlerin
    BrückenUmweltminister
    BrückenDoktor 
    BrückenSteuer
    BrückenPartner
    Brückenpfosten

    Das Geschwätz von Gestern I

    Mappus über Röttgen am 14.03.2010 im Deutschlandfunk (Quelle: via faz.net):
    „Was der Bundesumweltminister in den letzten Monaten abgeliefert hat, das würde sicherlich auch die Note befriedigend nicht erfüllen, denn es ist nicht das, was wir vor der Wahl zugesagt haben.“
    Nach der Sitzung des CDU-Landesvorstandes in Stuttgart am Montag (den 15.03.2010 sagte er dann zu den Meinungsverschiedenheiten über die staatsrechtliche Frage, ob der Bundesrat einer Laufzeitverlängerung zustimmen muss, folgenden Satz: „Ich bin nicht mehr bereit, die Eskapaden des Bundesumweltministers zu akzeptieren“, die Kanzlerin möge ihn „zurückpfeifen“.
    Ein Jahr her. Damals hatte Röttgen, obwohl nicht von mir gewählt, noch mein Vertrauen, weil es schien als würde er mit seinem Modell einer begrenzten Laufzeitverlängerung von anvisierten 8 Jahren zum einen den erreichten breiten gesellschaftlichen Konsens, den die rot-grüne Vorgängerregierung   vorbereitet und erzielt hatte, im Blick - zum anderen ging er der Forderung, die sich aus dem Koalitionsvereinbarung ergab ein. Ein gutes Stück Realpolitik. Ich hätte das mittragen können. Anders als jetzt die Spin-Doktoren einer panischen Regierung versuchen darzustellen, ist es schon lange auch Konsens bei den Ausstiegswilligen, dass es kein direktes Ausschalten geben kann. Naja. Dann ist er eingeknickt. Wie war das eigentlich noch mal? Jedenfalls muss E10-Röttgen nicht mit am Tisch gesessen haben, so wie der jetzt redet.

    Achso, ist ja wirklich genau ein Jahr her! Was sagt denn Mappus die Woche?
    „Kernkraftwerke, die nicht den erforderlichen Sicherheitsansprüchen genügen, werden abgeschaltet. Nicht in sieben Jahren, nicht in 15 Jahren, nicht in 20 Jahren, sondern sofort.“ via tagesspiegel
    „Sollte sich eine bisher nicht bekannte Fehlerquelle herausstellen, werden alle nötigen Konsequenzen vorbehaltlos gezogen.“ via tagesspiegel
    Er redet davon, dass man "keine Denkverbote" aussprechen dürfe, vom "nationalen Dialog".
    Hm.
    Mappus.
    Sind das die Leute die uns morgen noch regieren sollten?
    Menschen mit Weitsicht?
    Aufrichtig?
    Zukunftfähig?

    Wie gut sind Verschwörungstheorien?

    Sie sind um so besser, als sie wahrscheinlich sind. Ich verweise hier auf eine kleine Recherchearbeit zu dem Fall Joseph Oehmen von Gregor Keuschnig vom Blog Begleitschreiben, den ich auch am Rande verlinkt habe. Er zeigt den Weg eines Aufsatzes auf, der mittlerweile fröhlich zitiert wird und sich durch das Netz hindurch frisst. Keuschnig schließt  seinen Artikel wie folgt:
    Auch im englischen Original gibt es mehrere Autoren. Hier ist zunächst ein gewisser Barry Brook der Verfasser. Es fehlen lediglich Oehmens Schlußfolgerungen. Auch Brook ist kein Unbekannter. Sein Aufsatz ist auch auf der Webseite "theenergycollectrive" verlinkt, die sich "powered from SIEMENS" gibt. ("The Energy Collective's mission enjoys the generous support of Siemens Corporation"). Dort schreibt Brook auch Artikel.

    Die scheinbar so neutrale Darstellungsweise ist also gesponsert von der Energiewirtschaft. Zum Oehmen-Text wird das Pamphlet erst auf der Webseite "Nuclear Information Hub" des MIT. Den Hinweis auf eine Mitautorenschaft von Barry Brook unterbleibt dort. Bei EIKE ist es immerhin vermerkt. Bei der "Achse des Guten" fehlt sie wiederum.
    Mich interessiert an dem kleinen Lehrstück zur Desinformation im Netz, wie leicht es doch ist sich im Netz das zu beschaffen, was man für die eigene Argumentation braucht. Selbst die selbsternannten Wächter des wachen Verstandes fallen also in die Recherchemaschen des Netzes. Offensichtlich ist in diesen Tagen niemand annähernd so gut wie er glaubt zu sein.

    Dienstag, 15. März 2011

    politikworte

    Nach der großen Flutwellenkatastrophe bahnt sich eine atomare Katastrophe in Japan an, nein: sie ist im vollem Gange. Denn selbst wenn es am Ende dieser Havarien ein "glimpfliches" Ende geben sollte (im Vergleich zu was eigentlich? Tschernobil ist in Japan gerade nicht das Thema! Es geht um die Katastrophe nach der Kastrophe. Keine Zeit durchzuatmen und die Toten zu betrauern. Keine Zeit überhaupt zu sortieren was von der eigenen Existenz noch vorhanden ist. Das ist in jedem Falle unmenschlich) Und was wäre denn "glimpflich"? Ein Zurückgewinnen der Kontrolle wäre das mit Sicherheit. Ich las gerade, dass noch 50 Menschen in Fukoshima Dienst tun. Sie opfern sich um zu retten, was zu retten ist. Ich wünsche Ihnen, und bete, dass ihr Opfer den Menschen in Japan vor Schlimmeren bewahrt.

    Gestern war der Tag der Politikerworte. Es positionieren sich alle rund um das Thema AKW. Ich habe mehrfach Kotzen müssen. Ich verliere die Geduld mit dieser Form der Opportunität der Granden. Nehmen wir ruhig auch die eine oder anderen Oppositionspolitiker mit rein.  Ich frage mich bloß für wie doof die Regierung mich eigentlich hält? Ich mein: man konnte doch lesen worum es vor Samstag, den 12.02.2011 ging? Die AKW's, die die Röttgens und Mappusse bis dahin für sicher hielten, sollen heute, wegen des Erdbebens neu bewertet werden? Am liebsten reden wir aber jetzt nicht darüber, denn das wäre pietätlos? Nicht parteipolitisch, in alten Gräben, sondern sachorientiert? Wer hat denn den Konsens aufgekündigt? Wer ist denn eingeknickt vor der hervorragenden Beratung seitens der Spezialisten von RWE? Röttgen, der jetzt auf betroffen macht, weil er vorher nicht den Mumm hatte seine Position durchzusetzen (gegen die Kanzlerin, die jetzt auch auf betroffen macht! Visionäre Politik sieht anders aus! Ach übrigens: gemeint ist nicht Betroffenheit gegenüber der Summe der Katastrophen in Japan, diese ist sicherlich authentisch - das nehme ich jedem ab -, gemeint ist jene Betroffenheit im Angesicht der öffentlichen Meinung, die da an den Tag gelegt wird, da jene Mahner, die bisher als technikfeindlich abgewiesen wurden plötzlich Gehör finden. Weil jene, die sich um eine energiepolitische Alternative suchten erst im Angesicht der Katastrophe von Fukushima bei den Betonköpfen von CDU und FDP so etwas wie den Schimmer einer Einsicht erkennen dürfen (wenn das alles nicht Teil eines verlogenen Spiels ist).

    So, ich schreib dem Röttgen einen Brief. So einen betroffenen. Einem in dem ich meine Haltung aufgrund einer Situation, die so nicht absehbar war ganz neue Bewertungen nach sich zieht. Vielleicht lege ich den noch hier vor. Eine Antwort wird eh nicht kommen - zumindest nicht eine, die auf das eingeht was ich da sermonen werde. Was mich aber so aufregt ist dieses Getue um Sachlichkeit. Was die gerade machen ist Wort und Realitätsverdrehung. Allerdings liegen die Vorfälle "Ausstieg vom Ausstieg" und "Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg" zu nahe beieinander.

    wort um wort

    Meinen Stellvertreter am Rande dieser Spalte lasse ich sagen: Wort um Wort ringe ich um die Welt.

    Das klingt ziemlich groß, soll aber doch nur den Blickwinkel festlegen auf all das, was man aus diesem, wie ich finde dem bescheidensten Blickwinkel (nämlich aus sich selbst heraus) erkennen kann. Damit reihe ich erneut ein in die Reihe der Blogger (zu denen ich vormals zählte, als ich mich um ein Thema bemühte, das ich heute als abgearbeitet verstehe und dem ich mich nicht mehr verpflichtet fühle), denen schwerlich eine andere Perspektive zur Verfügung steht, als diese eine.

    Es gibt sicherlich auch solche, die Spezialisten sind und als Spezialisten das Netz anreichern mit Anekdoten aus ihrem Fachgebiet. Oder jene die wahrhaft harte Informationen bieten, den Journalisten und Wissenschaftlern, dann natürlich aber auch (auf der anderen Seite der Medallie) Verschwörungstheoretikern, Politikern, Esoterikern, Fanatiker, Phobisten jeder Couleur. Deren Blick ist jedoch, wie ich glaube verstellt von all dem, was sie wissen und da schließe ich jetzt mal die Journalisten und Wissenschaftler mit ein. Sie sind in ihrem Blicken geschult, wie ein Maler der die Perspektive beherrscht und diese anwendet wenn er den Stift über das Papier gleiten lässt um eine Szenerie zu skizzieren.

    Was die Betrachtung der Welt angeht verstehe ich mich der Summe der Spezialisten gegenüber wie ein Laie, ein Kind das den Stift schief hält, die Personen größer darstellt als die Häuser, dem Blumen zu Bäumen geraten und der Himmel zu einem blauen ausfransenden Strich am oberen äußersten Rand des Blattes. Wer also liest, was ich schreibe wird feststellen:

    Ich habe keinen blassen Schimmer.

    Montag, 14. März 2011

    Japanische Bildwalze

     Mir kommen die Bilder so unwirklich vor, so wie auch die andauernden Nachrichten aus Japan. Zehntausende Tote. Ein Schule auf einer Anhöhe. Die Kinder haben die desaströse Welle kommen sehen. Sie mussten zusehen, wie unter ihnen ihre Heimat ausgelöscht wurde, mussten das Krachen und Tosen der Welle ertragen die Häuser ihrer Familien zu bersten brachte, den Arbeitsplatz der Eltern zerschmetterte, Autos, Busse, Lastwagen, Züge wie Spielzeugwagen auf warfen und nieder drückten - mussten sehen, wie die Menschen hinter den Windschutzscheiben vor Schreck erstarrten oder in sinnloser Verzweiflung sich zu befreien suchten um wohin zu fliehen?

    Mich wundern immer wieder diese scheinbar leeren Straßen, bevor die Kamera auf die schwarze Flut schwenkt, die über die zehn Meter hohen Schutzwälle schwappt. Das ist eine so banale Welle die da ankommt, wenn man sie so von oben betrachtet. Da fahren zwei Wagen links aus dem Bild auf der Flucht vor den Wassermassen. Wahrscheinlich werden die Wagen bald den Boden unter den Rädern verlieren. Wo sind die Menschen?

    Ich sehe sie Schlange stehen; ich sehe sie ihre Liebsten suchen; eine Frau fragt sich welchen Sinn ihr überleben überhaupt habe; wie kann man dort im Angesicht einer solchen Katastrophe überhaupt überleben, wenn man dem Tod davongekommen ist?  Und wie steht man die Belastung durch die jetzt als Strahlen auf die Menschen niedergeht? Ich denke auch an die Verantwortlichen, die jetzt etwas leisten müssen, was undenkbar ist. Sie müssen organisieren, beschützen, abwägen, informieren und beruhigen. Und die Japaner ertragen all das scheinbar stoisch.

    Ich habe die letzte Zeit immer wieder sehen müssen, was tausendfach wiederholt wurde. Ich konnte die Augen nicht abwenden. Aber ich habe nichts verstanden. Man fühlt Machtlosigkeit.